Eindrücke der Tagung des Deutschen Jugendinstituts zu “Hinwendungen junger Menschen zu islamistischem Extremismus und pädagogische Distanzierungsangebote” am 11.02.2022

Als Mitglied des Verbundforschungsprojekts “Radikalisierende Räume” habe ich an der Tagung des DJI zu “Hinwendungen junger Menschen zu islamistischem Extremismus und pädagogische Distanzierungsangebote” am 11.02.2022 teilgenommen und möchte im Folgenden meine Eindrücke dazu schildern. Im Rahmen der Tagung gab es unterschiedliche Vorträge, die Beispiele für Distanzierungsansätze mit verschiedenen Herangehensweisen geliefert haben. Die Einleitung in die Thematik bildete dabei ein Vortrag von Dr. Maren Zschach & Joachim Langner zur Bedeutung des Islams im Kontext der pädagogischen Auseinandersetzung mit islamistischem Extremismus. Darin stellt der Islam nicht die Triebfeder der Radikalisierung, sondern vielmehr ein Ergebnis bzw. einen verstärkenden Faktor dieses Prozesses dar. Des Weiteren sollte der Islam als Ressource in der Distanzierungsarbeit gewertet werden, zum einen für den Beziehungsaufbau mit den Klient*innen und zum anderen als Mittel zur Stärkung der Eigenposition im Umgang mit ideologischen Positionen.

Während die späteren Vorträge eine individuellere Ebene angesprochen haben, die auf der Grundlage von biografischen Verläufen verdeutlicht wurde, ging es im Vortrag von Eike Bösing zu “Einflüssen von Sozialisationsinstanzen und strukturellen Bedingungen auf Deradikalisierungs- und Distanzierungsprozesse junger Menschen im Kontext islamistischer Radikalisierung”, auch um die strukturellen Beschaffenheiten, die Distanzierung ermöglichen bzw. begünstigen. Der Vortrag bezog sich auf Erkenntnisse, die im Rahmen des Verbundprojekts “Distanz” der IU Internationalen Hochschule und der Universität Vechta erreicht wurden. Besonders prägnant waren dabei für mich die fallübergreifenden Faktoren, die positiv auf Abwendungsprozesse wirken bspw. sichere ökonomische Verhältnisse, realistische Perspektiventwicklung und die Bereitschaft der Mehrheitsgesellschaft zur Reintegration der betroffenen Individuen. Diese Faktoren demonstrieren die Notwendigkeit einer räumlichen Perspektive auf das Gelingen von Distanzierungsarbeit und stimmen mit den Hypothesen unseres Projekts überein, wenn auch die Radikalisierungsprävention bei uns im Vordergrund steht.

Ein Vortrag, der eine interessante Sichtweise auf die Stigmatisierung von radikalisierten Personen lieferte, war der von Dr. Anja Frank. Darin wurde diese Stigmatisierung anhand eines biografischen Fallbeispiels als ein Prozess dargestellt, der zum Teil von den Individuen selbstbestimmt wird, indem sie sich negative Identitätsmerkmale zu eigen machen und diese in positive überführen. Dadurch werden die individuelle Grenzregulierung, Handlungskontrolle und soziale Positionierung beeinflusst. Allerdings fehlten die praktischen Bezüge zur Thematik, weshalb ich gespannt bin auf zukünftige Ergebnisse dieser Forschung. Zum Abschluss der Tagung gab es eine Diskussion, bei der insbesondere die Zusammenarbeit und der Wissenstransfer zwischen Praxis und Forschung thematisiert wurden. Diesbezüglich wurden von Dennis Walkenhorst Wege vorgeschlagen, wie Erkenntnisse aus der Forschung besser an Praktiker*innen vermittelt werden könnten, bspw. in Form von Podcasts. Des Weiteren wurde eine Professionalisierung der Radikalisierungsarbeit als zuträglich für die zukünftige Arbeit geschildert, in der vor allem Fachhochschulen eine leitende Rolle einnehmen sollen. Meines Erachtens ist eine Professionalisierung dieses Handlungsfeldes unbedingt notwendig, wie ich auch in meinen Interviews im Rahmen des Verbundprojekts „MAPEX“ festgestellt habe, da es vielen Praktiker*innen an methodischem Wissen im Umgang mit radikalisierten Personen mangelt. Zusammenfassend ermöglichte die Tagung einen interessanten Einblick in die Forschungsprojekte der Distanzierungsarbeit und deren Ergebnisse.