Projekt

Das Verbundprojekt „Radikalisierende Räume“ (RadiRa) der Universität Bielefeld und der Fachhochschule Münster verfolgt das Ziel, die Rolle urbaner Milieus – bzw. sozialer Räume – hinsichtlich neo-salafistischer Radikalisierungsprozesse zu untersuchen. Mit dem Fokus auf der Handlungsebene des Raums als Radikalisierungsfaktor, beabsichtigt das Projekt den Forschungsstand um diese spezifische Perspektive zu erweitern und so zu einem besseren Verständnis von Radikalisierungsprozessen beizutragen. Das Projekt ist vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und läuft bis September 2024.

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Projektanlass

Die wissenschaftliche und professionsbezogene Debatte zu Radikalisierungstendenzen konzentriert sich im Wesentlichen auf zwei relevante Faktoren islamistischer Radikalisierung. Diese sind zum einen individuelle Einflussfaktoren bzw. biografische Verläufe wie bspw. Lebenskrisen, relative Deprivation oder Diskriminierung und zum anderen die Relevanz von Gruppeneinbindungen und gruppenbezogenen Prozessen für Radikalisierungskarrieren.

Auffällig ist, dass ein klarer Raumbezug bei der Untersuchung von Radikalisierung bisher nicht weiter beachtet wurde. Dieser Forschungslücke widmet sich das Verbundprojekt „Radikalisierende Räume“: So soll, mit einem konsequent sozialräumlichen Blick auf das Risiko von Radikalisierungsanfälligkeit, ein kohärentes und direktes Bild von belasteten Stadtteilen und den dort aufzufindenden neo-salafistischen Lebenswelten erarbeitet werden. Um dieses Vorhaben systematisch und ganzheitlich umzusetzen, werden drei Erhebungsinstrumente eingesetzt.

Wie wir vorgehen

1. Es werden standardisierte Bevölkerungsbefragungen in drei deutschen Großstädten vorgenommen. Dabei untersuchen wir die Radikalisierungsanfälligkeit in Bezug auf Autoritarismus, Demokratiedistanz, Diskriminierungserfahrungen und Religiosität. Zugleich werden soziale Einrichtungen an den Untersuchungsorten befragt, sodass die Merkmale dieser Angebotslandschaft mit denen des Ortes und der Perspektive der Bewohner*innen verknüpft werden können. Um die Radikalisierungsanfälligkeit auch „richtig“ erfassen zu können, laufen 2021 und 2022 umfangreiche Pre-Tests.

2. Es wird eine ethnografische Untersuchung des jeweiligen Ortes vorgenommen. Hierfür wird jeweils eine Wohnung für ein Jahr in den einzelnen Stadtteilen bezogen. Ziel ist es Beobachtungen hinsichtlich des öffentlichen und teil-öffentlichen Raums, des Alltagslebens, der Interaktionen im Stadtteil und der sozialen Praktiken systematisch durchzuführen. Diese Teilstudie soll es ermöglichen, die lebensweltlichen Dynamiken, in denen sich eine neo-salafistische Szene entwickeln und etablieren kann, zu verstehen.

3. Es werden lokale Expertinnen und Experten leitfadengestützt interviewt und Dokumente ausgewertet. Die Teilstudie dient auch als Basis für den Praxistransfer des Projektes, sichert aber umgekehrt auch die Ergebnisse aus den standardisierten Erhebungen ab.

Praxisbezug und Erkenntnistransfer

Die Erkenntnisse der empirischen Teilstudien werden parallel zu der Erhebungsphase, als auch im Nachgang, mit der Praxisebene verknüpft. Dieser Theorie-Praxis Transfer erfolgt in der Entwicklung eines präventiven und intervenierenden Praxisansatzes für die gemeinwesenbezogene Soziale Arbeit, die im Kontext von neo-salafistischen Radikalisierungstendenzen in Stadtteilen als Instrument genutzt werden kann. Neben den empirischen Ergebnissen sind für die Entwicklung und Ausarbeitung dieser Strategie internationale Praxisforschungen sowie die enge Zusammenarbeit mit ausgewählten Praxisakteur*innen, die sich in einem Projektbeirat zusammenfinden, besonders relevant.

Die Vernetzung zur Praxis erfolgt in einem jährlichen Beiratstreffen sowie einem projektbegleitenden, kontinuierlichen Austausch mit Einzelakteur*innen. Durch den stetigen Erfahrungsaustausch und die sukzessive Ergebnisdiskussion, wird das Präventions- und Interventionsinstrument des Verbundprojekts ausgearbeitet. Zu Beginn und Abschluss der Stadtteiluntersuchungen wird es Kick-Off Workshops mit Einrichtungen aus der Praxis geben.

Außerdem bietet die Online-Plattform www.radikalisierende-raeume.de fortlaufend einen Überblick über alle Projektergebnisse. Hier wird der Ertrag des Projektes mitsamt des Praxisinstruments der (Fach)Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Darüber hinaus werden auf der Online-Plattform zusätzliche Informationen, darunter Publikationen sowie Arbeiten und Ergebnisse aus ergänzenden Lehrforschungsprojekten veröffentlicht.